Projektive Identifikation
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Was ist Projektive Identifikation?
Projektive Identifikation beschreibt einen psychischen Vorgang, bei dem eine Person (der Projektor) eigene, oft als bedrohlich empfundene Emotionen und Anteile auf eine andere Person überträgt. Anders als bei der reinen Projektion, bei der lediglich eigene Gefühle zugeschrieben werden, führt diese Dynamik dazu, dass der Empfänger unbewusst beginnt, diese Gefühle zu übernehmen. Dadurch kann der Betroffene in seinem Verhalten und Erleben zunehmend in die Rolle gedrängt werden, die der Projektor unbewusst geschaffen hat.
Dieser Mechanismus wurde in der Psychoanalyse vor allem durch Melanie Klein geprägt. Er dient dem Zweck, unerträgliche innere Konflikte abzuwehren, indem sie in der Beziehung nach außen verlagert werden. Häufig wird Projektive Identifikation in Kombination mit anderen Abwehrmechanismen wie Spaltung und Introjektion beobachtet. Dabei findet eine unbewusste Kommunikation statt, die oft zu intensiven emotionalen Reaktionen führt.
Wie erkennt man Projektive Identifikation im Alltag?
Im Alltag manifestiert sich Projektive Identifikation meist subtil und kann an folgenden Merkmalen erkannt werden:
Unangemessene emotionale Reaktionen: Ein Mensch reagiert unverhältnismäßig stark auf kritische Situationen oder Konflikte. Beispielsweise kann ein Partner plötzlich übermäßige Wut oder Schuldgefühle zeigen, die nicht zur Situation passen.
Rollenzuweisungen in Beziehungen: Es kommt häufig vor, dass ein Individuum anderen kontinuierlich bestimmte Eigenschaften zuschreibt, sodass der Empfänger sich unbewusst der Rolle annimmt. Dies kann zu einem Teufelskreis führen, in dem der Empfänger tatsächlich so handelt, wie es dem Projektor unbewusst entspricht.
Schwierigkeiten in der Selbstwahrnehmung: Personen, die regelmäßig unter intensiven emotionalen Schwankungen leiden, berichten oft davon, dass sie das Gefühl haben, nicht sie selbst zu sein. Dies liegt daran, dass sie ihre eigenen Emotionen unbewusst auf andere projizieren und dadurch ihre eigene Identität verwischen.
In Beziehungen äußert sich dieses Phänomen häufig in konfliktreichen Interaktionen. Beispielsweise kann ein Elternteil unbewusst eigene Unsicherheiten auf das Kind übertragen, wodurch das Kind als „Repräsentant“ dieser negativen Gefühle wahrgenommen wird. Ähnliche Dynamiken können in Partnerschaften oder am Arbeitsplatz beobachtet werden.
Was passiert, wenn Projektive Identifikation zu stark ausgeprägt ist?
Wenn Projektive Identifikation zu häufig und intensiv auftritt, kann dies schwerwiegende Folgen haben:
Zerrüttete Beziehungen: Die unbewusste Übertragung negativer Emotionen führt oft zu Missverständnissen und ständigen Konflikten. Die betroffene Person wird zunehmend in eine Rolle gedrängt, die sie nicht selbst gewählt hat, was das Vertrauensverhältnis und die emotionale Nähe stark beeinträchtigt.
Verstärkung innerer Konflikte: Da die projizierten Gefühle nicht eigenständig verarbeitet, sondern auf andere übertragen werden, bleibt der ursprüngliche Konflikt ungelöst. Dies kann zu chronischen psychischen Belastungen wie Angstzuständen, Depressionen oder Persönlichkeitsstörungen führen.
Eskalation von Aggressionen: In manchen Fällen kann der Mechanismus eine Art Selbstverstärkung bewirken. Der Projektor empfindet Erleichterung, wenn die projizierten Gefühle beim Anderen bestätigt werden – was jedoch zu einem Teufelskreis führt, der in aggressivem Verhalten mündet.
Studien zeigen, dass insbesondere bei Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung eine hohe Tendenz zu Projektiver Identifikation besteht. In diesen Fällen werden die unbewussten Abwehrprozesse zu einem zentralen Problem, das den therapeutischen Erfolg erheblich beeinträchtigen kann.
Wie kann Psychotherapie bei Projektiver Identifikation helfen?
Die Psychotherapie bietet mehrere Ansätze, um den destruktiven Kreislauf der Projektiven Identifikation zu durchbrechen. Zu den wichtigsten Therapieformen gehören:
Psychodynamische Therapie
Diese Therapieform geht davon aus, dass das Bewusstwerden unbewusster Prozesse entscheidend für die Veränderung ist. Therapeuten arbeiten hier intensiv mit der Übertragung und Gegenübertragung. Sie helfen den Patienten, die eigenen, unbewussten Emotionen zu erkennen und zu integrieren. Durch die Analyse der therapeutischen Beziehung wird es möglich, die Dynamik der Projektiven Identifikation aufzubrechen und eine gesündere Beziehungsgestaltung zu fördern.
Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT)
MBT fördert die Fähigkeit, eigene und fremde mentale Zustände zu erkennen und zu differenzieren. Patienten lernen, zwischen eigenen Gefühlen und denen ihrer Mitmenschen zu unterscheiden. Dies verhindert, dass sie unbewusst ihre negativen Emotionen auf andere projizieren. Studien belegen, dass MBT zu einer Reduktion von unbewussten Projektionen und einer Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungen führen kann.
Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT)
Obwohl DBT ursprünglich aus der Verhaltenstherapie stammt, spielt sie eine wichtige Rolle im Umgang mit intensiven Emotionen. DBT hilft Patienten, ihre Emotionen zu regulieren und impulsives Verhalten zu reduzieren. Indem sie alternative, konstruktive Bewältigungsstrategien erlernen, können Patienten lernen, den Mechanismus der Projektiven Identifikation zu durchbrechen und stabilere Beziehungsmuster zu entwickeln.
Fazit
Projektive Identifikation ist ein komplexer Abwehrmechanismus, der weit über eine einfache Projektion hinausgeht. Er kann sowohl in persönlichen Beziehungen als auch in therapeutischen Kontexten zu erheblichen Konflikten führen. Während im Alltag subtile Anzeichen wie übertriebene emotionale Reaktionen oder rollenzuweisende Interaktionen auf diesen Mechanismus hindeuten können, zeigt sich im klinischen Bereich oft, dass ein Übermaß an Projektiver Identifikation die Beziehungsgestaltung massiv stört. Glücklicherweise bieten moderne Psychotherapieansätze – insbesondere psychodynamische Therapien, MBT und DBT – evidenzbasierte Strategien, um diese unbewussten Prozesse aufzudecken und zu integrieren.
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